Wie man ein Flerschemer Wörterbuch schreiben könnte

Aus Flerschemerisch.de

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Aus dem Vortrag "Koon oone konn ohne oon onnern oder wie man ein Flerschemer Wörterbuch schreiben könnte", Gesprächsabend mit Hans Jakob Gall und Prof. Ernst Erich Metzner am 16. März 1911 im Flörsheimer Keller.


Ich gehe davon aus, dass es Menschen gibt, die gerne einmal etwas in „Fler-schemerisch“ schreiben würden, sei es eine Glosse, ein Witz, ein Vortrag oder auch ein Gedicht, dass sie aber eine gewisse Scheu davor haben zu schreiben „wie ihnen der Schnabel gewachsen“ ist, man will sich nicht blamieren.

Andererseits gibt es Autoren und Autorinnen, die die genannte Scheu nicht haben: sie schreiben lautmalerisch so wie sie meinen, dass ihr Text gelesen und verstan-den werden kann. Und so schreibt jeder sein eigenes Flerschemerisch. Und dies, weil es kein Wörterbuch gibt, aber auch keine Kapazität, keine Autorität, der man folgen möchte. Und so stellt jede und jeder seine eigenen Regeln auf oder verzichtet gar auf das Schreiben.

Wenn wir zum Motto dieses Abends sagen: „Wie man ein Flerschemer Wörter-buch schreiben könnte“ so möchten wir festhalten, dass wir uns heute Abend kei-ne ungewöhnlichen Wörter aus unserer Flerschemer Mundart – von denen es wahrlich viele gibt, Schleechtbabbeler zum Beispiel oder Labbeduddel – vorneh-men wollen. Dieser Abend soll dazu dienen, einige Regeln aufzustellen, wie man das Flerschemerische schreiben könnte, so als gäbe es dafür ein Wörterbuch.

Zum Flerschemerischen ganz kurz: Viele Menschen, die in Flörsheim wohnen, kennen und können es nicht, andere so wie ich sprechen es oder versuchen es, aber wir sprechen es unterschiedlich, je nachdem wie lange wir das Flerschemeri-sche in unserer Umgebung pflegen. Wenn man sein Flerschemerisch verschriftli-chen möchte, dann werden sicher Unterschiede erkennbar zu anderen Menschen, die dasselbe tun wollen. Jeder nach seiner Art, jedoch: wir gehen davon aus, dass grundlegende Regeln angewandt werden können, die sich sogar aus der Recht-schreibung der Deutschen Sprache, aus dem Duden, ergeben.

Denn das Geschriebene soll ja auch gelesen werden. Und schön wäre es, wenn die Lesenden den Text auch verstehen könnten. Da sie aber viele der geschriebe-nen Wörter so noch nicht gesehen und gelesen haben, also dass sie keine Vorla-ge haben, können sie manches nicht einordnen. Und dies, weil beim Schreiben einige Regeln nicht befolgt worden sind.

Bitte betrachten Sie also unsere Bemühungen heute als den Versuch, ein Wörter-buch anzulegen und die dortigen Regeln für die Verfassung von Texten bereitzu-stellen. Wir halten uns dabei an die Regeln des Duden, der ja für das Hochdeut-sche angibt, wie ein geschriebenes Wort ausgesprochen wird. Mehr wollen wir nicht, wenn es Anklang fände würden wir uns freuen.

Wenn wir lautmalerisch schreiben wollen, so haben wir im Wesentlichen ein paar Aufgaben zu erfüllen:

  • Vokale als kurz zu kennzeichnen
  • Vokale als lang zu kennzeichnen
  • Die Klangfarbe genauer zu bezeichnen
  • Die Konsonanten genauer zu bezeichnen
  • Die Endungen eines Wortes zu finden
  • Wörter zusammenzusetzen oder auseinander zu schreiben

und dann kann man auch noch über schwierige Wörter Vereinbarungen treffen

Beginnen wir mit dem Hochdeutschen, um zu zeigen, was ich sagen will.

Wir lesen folgende Sätze:

Der Weg ist weit.
Geh‘ weg!

Beides ist gleich geschrieben, aber durch den Zusammenhang erkennbar, wie es ausgesprochen wird:

Der Weg ...
Geh‘ weg!

Auch bei

ob – Lob
nach – Nacht

haben wir keine Schwierigkeiten, die Wörter richtig zu lesen, sie richtig zu betonen und sie zu verstehen.

Auch Wörter, die unterschiedlich geschrieben, aber gleich ausgesprochen werden

Wahl – Wal
her – Heer – hehr
hast – Hast – hasst
bis – Biss

gibt es durch den Zusammenhang der Wörter im Satz keine Missverständnisse. Denn unsere grammatischen Vor-Kenntnisse helfen uns, den Sinn der Wörter rich-tig einzuordnen.

Diese Kenntnis haben wir beim ungewohnt geschriebenen Flerschemerisch nicht, wir müssen sie, wenn wir es wollen, uns zuerst durchs Lesen und danach durchs Schreiben aneignen. Ich wiederhole mich: Wenn es aber doch keine Einheitlichkeit gibt, wenn jeder und jede lautmalerisch so schreibt, wie er oder sie es meint richtig zu machen, wenn es keine Übereinkunft gibt, machen wir es uns und den Lesen-den schwer.

Und nun vom Allgemeinen zum Besonderen: Dafür nehme ich nur zwei Wörter, die ich gelesen habe. Hier geht es nicht darum, zu kritisieren, sondern nur darum, dass Wörter hier so geschrieben worden sind, die an anderer Stelle eben anders geschrieben werden. Die Unsicherheit wird nicht beseitigt, sondern vergrößert.

Nehmen wir das Wort für den Wirt des Gasthauses zum Hirsch, den wir in unserer Mundart unbeschwert "Herrsch-Werrt" nennen.

Dieses Wort habe ich auch schon mal in einem Mundart-Text so gelesen:

Herschwert, also Her-Schwert!

Hier hat man nicht nur die Schwierigkeit, wie das Wort aufzuteilen ist, sondern auch zu erkennen, welche Wörter verwendet wurden also

Hersch-Wert
oder Her-Schwert!

Man muss sich verständigen darüber, ob man schreibt:

Herschwerrt oder Herrschwerrt
Es is en Acheblick oder Ess iss enn Aacheblick oder Ees iis een Acheblick.

und schon sind wir mitten im Thema und beginnen mit den Regeln, die uns Prof. Metzner jetzt vorstellen wird.

Man kennzeichnet die Kürze des Vokals durch Verdoppelung des nachfolgenden Konsonantenbuchstabens.

Folgt auf einen Vokal kein Konsonant, ist er lang. folgt nur ein Konsonant, so ist der Vokal kurz oder lang, je nach Bedeutung, folgen mehrere Konsonannten, so ist der Vokal kurz.

Nehmen wir jetzt das Motto dieses Abends in vorläufiger Schreibung:

Kon one kon one on onern

Diese verschriftlichen Wörter kennen wir nicht. Auch weil wir keine Hilfestellung zum Lesen gegeben haben. Geben wir diese Hilfestellung, dann können wir ver-ständlich schreiben:

Koon oone konn ohne oon onnern

Kon oder Koon, beides kann so geschrieben werden, beides kann dann auch rich-tig gelesen, besser richtig ausgesprochen werden.

Warum also die Verlängerung des "o" durch Verdoppelung? Um es deutlicher zu machen. Koon mit "oo" kann nicht anders gelesen werden als Koon, one kann mit h nicht anders gelesen werden als ohne, kon/konn, da ist es wieder und jetzt muss ich es unterscheiden, also muss ich den Vokal kurz machen durch Verdoppelung des nachfolgenden Konsonanten.

Die einfachen Regeln hierfür haben wir bereits genannt:

Vokale werden kurz ausgesprochen, wenn der nachfolgende Konsonant verdop-pelt ist:

konn - onnern - Herr - Werrt - derr - merr

Der Vokal wird lang ausgesprochen, wenn er verdoppelt wird oder wenn der nach-folgende Konsonant allein steht:

her – wert - der
aach - Meer

Und dann gibt’s noch die Verlängerungen z. B. des "i" durch "ie", des "e" durch "h"

Kommen wir noch einmal auf den "Herrsch-Werrt" zurück. Da ist das Wort "Herrsch" für Hirsch. Wird es mit einem einzigen "r" geschrieben, lässt es sich verstehen, denn das hochdeutsche "Hirsch" ist nicht weit weg. Aber wir meinen, "Herrsch" lässt sich besser lesen.

In Zusammensetzungen jedoch wird es schwierig, da sehr schnell ein anderer Zusammenhang hergestellt wird; deshalb muss hier ein Bindestrich gesetzt werden

Hier zum genannten Beispiel:

Herschwert

Hier wären die beiden "e" lang zu lesen, also liest man

Her-Schwert oder Hersch-Wert.

Deshalb nehme ich das Wort "Werrt" für Wirt. Wollte ich "Wert" sagen, müsste ich "wert" schreiben.

Noch mal die Regeln: Der Vokal "e" wird kurz ausgesprochen, wenn in der Mund-art-Schreibung der nachfolgende Konsonant verdoppelt ist:

Herr - Werrt – derr - merr
Herr Meier issen derre Werrt, der gefällt merr nitt.

Der Vokal wird lang ausgesprochen, wenn der nachfolgende Konsonant allein steht:

her – wert - der
Guck her, dess iss was wert, der guckt noochem Meer

Wir lernen, dass der Vokal auch durch das Einfügen eines "h" oder Verdoppelung lang ausgesprochen werden muss.

Dies trifft vor allem für die Vokale "e", "a", "o" zu, aber auch für die Vokale "u" und "i".

Der einfachste Weg ist aber, die Vokale zu verdoppeln.

Aach im Gegensatz zum Ach

Naa zu Na
scheel, weeche, heer (emol uff), deesde,
Geechend, Weech
Moo doo koo alloo
ruucksern (sonst rucksert), Tuursche

Dann gibt’s noch die Verlängerungen z. B. des "i" durch "ie"

Bie, hie, krieh (die Kränk),

Auch beim Wort "Flerschem" gibt es mehrere Schreibweisen, ich bevorzuge die gebräuchliche Schreibweise wie vor. Ich trenne es in Gedanken in zwei Silben auf: Fler-schem. Hier ist der erste Vokal, das erste "e", lang, denn der nachfolgende Konsonant "r" ist auch in meiner Schreibweise nicht verdoppelt, ebensowenig wie im Hochdeutschen. Beim zweiten "e" in –schem trifft zu, dass bei einem nachfolgenden Konsonanten das "e" kurz oder lang gesprochen werden kann. Eigentlich müsste ich deshalb, um es ganz deutlich zu machen, das zweite "e" durch Verdoppelung des "m" verkürzen, aber hier in diesem Falle hilft es uns, dass das Wort "Flerschem" nicht verwechselt werden kann, wie der Weg oder wie weg.

Kommen wir zu einigen Besonderheiten:

Ein Hesse kann beim besten Willen nicht ein "r" vor einem Konsonanten sprechen:

hart – hatt
Karl – Kall
Bart – Bad

Aber es empfielt sich oft, das "r" zu schreiben, weil man die hochdeutsche Schreibung im Sinn hat.

Das Flerschemerisch ist weich, nur selten wird ein "t" ausgesprochen, vor allem wenn es nicht am Ende steht.

Beispiele:

Disch
gedrunke
Ende (ein Vogel)
gedriwwe
Wedder
hadde
Radde
kosde
Gadde
aber
mett
Kättche
hott
kabutt

aber Hast, das würde ich so stehen lassen anstatt Hasd zu schreiben.

Zweifelsfälle, die verständlich sind, über die jedoch Einigung erzielt werden muss, um keine Verwechslung zu schaffen:

Schobbe/Schoppe
Ebbelwoi/Äbbelwoi/Eppelwoi/Äppelwoi
geschittelt/geschiddelt

Dann die verbundenen Wörter:

mussde, wollemerr, deesde:
Ei wie kimmsde dann doo druff?
Was willsde derr vornumme?
Unn was glaabder?

Diese Wörter machen beim Lesen Schwierigkeiten, denn sie sind uns nicht geläufig.

Manchmal ist es erforderlich, in Annäherung an das Hochdeutsche einen Buch-staben einzufügen oder zu bewahren, der uns auf das hochdeutsche Wort verweist und so eine Verwechslung verhindert:

Frieling – Friehling
oone – ohne

Dann gibt es Wörter, die nur schwer zu übertragen sind

Arger
ärgern

Dann nehme ich oft einen sprachlichen Umweg in Kauf

Dann gibt es noch Wörter, die man durch Verdoppelung der Konsonanten nicht verschandeln soll, da sie bereits unmissverständlich sind:

ob
du
vor
kalt
halt
bald

Besondere Probleme bei allen Texten aus unserem Umfeld macht die Wiedergabe bestimmter Vokale, deren Färbung mit den vorhandenen einfachen Zeichen "a", "e", "i", "o", "u", nicht genau wiederzugeben ist.

Zum zweiten machen Probleme in unserem Sprachraum die auslaufenden "n" nach einem Vokal in Fällen wie

Main, Rhein, dein, Wein = Moo, Rhoi, doi, Woi

bei der Umsetzung in die Mundart, sodass wir im Flerschemerischen die soge-nannte Nasalierung kaum zu hören bekommen und wir neue Zeichen brauchen.

Weniger Schwierigkeiten macht ein auslaufendes "n" nach Vokalen; wenn es in einer unbetonten Silbe steht, dann fällt das "n" ganz weg:

zwische
Rase


Hans Jakob Gall

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